still

Michaela Meise
12. June 2021 — 7. August 2021
We are pleased to present Michaela Meise’s second solo show at KM. still comprises watercolors, collages and a sculpture by the artist.

Michaela Meise’s new works depict feeling with the body. In two watercolors, we see an octopus, originally a naked animal that constructs a shell with what it finds on the ground. Like the octopus, society appears to be donning a new body in recent years. The octopus is a brain in motion that adapts its body to the constantly changing environment, protecting and expanding itself by appropriating ever new found objects.

The bodies in the works of Michaela Meise are symbols of transformation. They renew themselves over time – the time we need to quiet down, to feel what the skin senses, to hear what resounds in stillness. In a time of isolation, like during the corona crisis of the past months, one is no longer socially active and often mentally isolated as well. The particular sensitivity that can arise in such isolation gives us the time and space to perceive experiences in a focused way that we usually wouldn’t get to know and sometimes appear dreamlike. The exhibition title still can also be read as “film still”, as a standstill in the flow of the passage of time in a movie – a frozen situation. A feeling of standstill also emerges in the face of brutal, overwhelming incidents, like the right-wing extremist murders perpetrated in Hanau last year. The stillness of sorrow and shock, embedded in a context of continuity – for the attack was preceded by others. Structures continue to be in place, but networks of affected persons and activists are being formed in parallel. In English, “still” can also mean “now as ever” or “nevertheless.”

Along with persons and culturally charged fragments, Michaela Meise’s works also feature micro- and macrocosmic processes, or at least models of how we imagine them. The works are often productively grounded in banalities. The displayed breaks give rise to a surreal lightness, so that the addressed themes never appear idealized. Time and again, something appears awkward, humorously shedding light on a mood brought about by a different perspective. Michaela Meise depicts the living conditions of the past months. She draws from daily life as it is given, with recurring connections showing us how we live. What all works have in common is the exploration and depiction of a protective form. Michaela Meise thus creates a space of potentiality in the exhibition that interweaves our everyday reality with other images and offers us possible alternatives.

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Wir freuen uns sehr die zweite Einzelausstellung von Michaela Meise mit KM zeigen zu können. still setzt sich aus Aquarellen, Collagen und einer Skulptur der Künstlerin zusammen.

Michaela Meise bildet in ihren neuen Werken das Fühlen mit dem Körper ab. Auf zwei Aquarellen sehen wir einen Oktopus, ein zuerst nacktes Tier, das sich seinen Panzer aus dem, was es am Boden findet, baut. Wie der Oktopus scheint die Gesellschaft in der vergangenen Zeit einen neuen Körper anzulegen. Der Oktopus ist ein sich bewegendes Gehirn, das seinen Körper an die ständig wechselnde Umgebung anpasst und durch immer neue Aneignung von Fundstücken schützt und erweitert.

Die Körper in den Werken von Michaela Meise sind Symbole der Verwandlung. Sie erneuern sich mit der Zeit – Zeit, die wir brauchen, um still zu werden, um zu fühlen, was die Haut spürt, um zu hören, was in der Stille klingt. In einer Zeit der Isolation, wie der Corona-Krise in den letzten Monaten, ist man nicht mehr sozial aktiv, oft auch mental isoliert. Besondere Empfindlichkeit, die aus einer solchen Isolation entstehen kann, lässt uns auch Zeit und Raum, um sonst nicht wahrgenommene, wohl manchmal auch traumhaftem Erleben entstammende Erlebnisse, konzentriert wahrzunehmen. Der Ausstellungstitel still kann aber auch als „Standbild“ gelesen werden, Stillstand im Fluß der ablaufenden Zeit im Film – eine eingefrorene Situation. Eine Empfindung des Stillstands geschieht auch im Angesicht brutal überwältigender Ereignisse, wie dem rechtsradikalen Attentat in Hanau, das sich letztes Jahr ereignete. Stille der Trauer und des Schocks, eingebettet in einen Kontext der Kontinuität, denn dem Attentat gingen andere voraus. Strukturen setzen sich weiterhin fort, parallel formieren sich aber Netzwerke der Betroffenen und Aktivisten. „still...“ bezeichnet innerhalb eines englischsprachigen Dialoges ein „nach wie vor“, „trotzdem“ oder auch „weiterhin“.

In den Werken von Michaela Meise zeigen sich neben Menschen und kulturell überformten Fragmenten mikrokosmische und makrokosmische Prozesse, oder die modellhafte Vorstellung, die wir davon haben. Die Werke finden oft in Banalitäten fruchtbare Erdung. Durch die gezeigten Brüche entsteht eine surreale Leichtigkeit, sodass die aufgerufenen Themen nicht idealisiert erscheinen. Immer wieder stellt sich etwas quer und beleuchtet humorvoll eine aufkommende Stimmung aus einer anderen Perspektive. Michaela Meise bildet die Lebensbedingungen der letzten Monate ab. Sie schöpft aus dem gegebenen Alltag. Immer wieder tauchen Verknüpfungen auf, die zeigen, wie wir leben. Allen Werken gemein ist die Erforschung und Darstellung einer schützenden Form. So schafft Michaela Meise in der Ausstellung einen Möglichkeitsraum, der unsere alltägliche Realität mit anderen Bildern verwebt und ein mögliches Anderes fordert.