Ritual Residue

Alexandra Leykauf
17. November 2024 — 11. January 2025
Wir freuen uns besonders, die dritte Einzelausstellung von Alexandra Leykauf ankündigen zu dürfen.
Unter dem Titel Ritual Residue erweitert die Künstlerin den Galerieraum durch eine wandfüllende Tapete, die Steine in einer offenen Landschaft zeigt. Im Raum stehen Kühlschranktüren in unterschiedlichen Größen, auf deren Frontseite Steine gedruckt sind. Wie in der Landschaft beziehen sich auch die auf die Kühlschranktüren gedruckten Steine auf das menschliche Maß, ebenso wie die Türen selbst. Die Steine stehen in einer Beziehung zueinander und zu uns, als Betrachtende. In der Natur entsteht das durch die Bewegung des Körpers. Die Fotografien von Alexandra Leykauf, die den Siebdrucken zugrunde liegen, erzeugen diesen Effekt durch die von der Künstlerin konstruierte Perspektive.

Die Steine sind, wie die Kühlschranktüren, Fragmente von durch Jahrtausende voneinander getrennten Kulturen, die durch Alexandra Leykauf zu einem Amalgam von kontextuellen Bedeutungsfeldern verschmolzen werden. Der Kühlschrank ist ein Gerät, um klimatische Bedingungen zu beherrschen. Er stellt eine Versorgungssicherheit her, die zu Geborgenheit führen kann. Er ist ein Container, der nicht nur Lebensmittel, sondern auch eine kulturelle Praxis konserviert. Die hier ausgestellten Türen der Kühlschränke verweisen als elementarer Teil der ausgeschlachteten Maschine auf die kulturell variierenden Inhalte des „containers“ und sind in der Ausstellung gleichzeitig Bildträger für Siebdrucke von Steinen, die durch ihre Positionierung eine uns unbekannte Bedeutung in sich tragen.

Die Steine sind Relikte einer für uns nur noch durch archäologische Forschung zugänglichen Kultur. Sie sind Überreste, wie die Türen, auf die sie gedruckt sind. Beide verweisen auf Rituale, die uns als Betrachtende verborgen bleiben. Die Steine sind als spätsteinzeitliche Überformungen der Natur Fixpunkte in der offenen Landschaft. Sie bilden einen Imaginationsraum, wie der geschlossene Kühlschrank, dessen verborgener Inhalt Projektionsfläche für unsere Bedürfnisse ist. Beide konservieren so auf sehr unterschiedliche Weise unser Bedürfnis nach Orientierung und Sicherheit, ohne den Betrachtenden einen Zugang zu Inhalt und Funktion zu geben. Durch diese hybride Konstruktion erzeugt Alexandra Leykauf eine Perspektive, die uns die Möglichkeit bietet, uns intuitiv mit den Bildinhalten zu verbinden, weil die Steinbilder, wie die Kühlschranktüren von diesem Ballast durch die Künstlerin befreit worden sind und damit ihre ursprüngliche Funktion verloren haben. So werden Bildträger und Bild Teil einer kulturellen Erzählung jenseits einer objektiven Geschichtsschreibung.

Die stelenartigen Kühlschranktüren sind im Ausstellungsraum in einer Konstellation zueinander angeordnet und sorgen, wie die Steine in der offenen Landschaft, für eine Raumordnung, die eine kryptische Bedeutung in sich trägt. Die Anordnung der Objekte in der Ausstellung erschafft ein Portal zu einer uns unzugänglichen prähistorischen Praxis, die uns zu einer individuellen Bedeutungsfindung einlädt. Türen und Durchgänge sind ein wiederkehrendes Motiv in den Werken von Alexandra Leykauf, die Räume öffnet und verbindet, die auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeit haben. Durch die Verknüpfung von Relikten ausgedienter Kulturträger ermöglicht sie uns eine direkte Beziehung zu erleben zwischen unserem Körper und neu verknüpften Ausformungen der Kultur im Spannungsfeld von Natur und Konsum, zwischen Verlust und Konservierung. Die Werke von Alexandra Leykauf sind eine konzeptuelle Auseinandersetzung mit der Konstruktion unserer kulturell überformten Welt, um eine Perspektive für eine Transformation der transportierten Inhalte aus dem Bild heraus in die Welt zu öffnen.


Alexandra Leykauf lebt und arbeitet in Berlin. Zahlreiche Einzelausstellungen in den letzten Jahren, u.a. Prospect, Camera Austria, Graz (2024), What We Do in the Shadow (w. Dominik Styk), GAK–Gesellschaft für Aktuelle Kunst, Bremen (2022), Animus, Kunstverein Springhornhof, Neuenkirchen (2022), Window Shopping (w. Eva Berendes), Kunstverein Siegen (2021), Both Sides Now, Villa du Parc/Centre d’art contemporain, Annemasse (2020) sowie Beteiligung an Gruppenausstellungen, u.a. Artocène, Musée Alpin, Chamonix Mont-Blanc (2023), La Friche la Belle de Mai, Marseille (2022), Galerie Bo Bjerggaard, Copenhagen (2019), Künstlerhaus Dortmund (2019). Ihre Werke sind u.a. in den Sammlungen des Piers Arts Centre, Orkney (UK), Centre Pompidou (F), Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris (F), der Royal Dutch KPN Collection (NL) vertreten.
Alexandra Leykauf studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg (1996–2002), an der Gerrit Rietveld Akademie (1998–2002) und an der Rijksakademie van Beeldende Kunsten (2003–2004) in Amsterdam.