Die Geschichte beginnt in den sogenannten surf clubs. In den Anfängen der Net Art teilten Künstlerinnen und Künstler ihr Interesse an Kultur und Ästhetik des Internets. Sie arbeiteten gemeinsam an neuen Ausdrucksmöglichkeiten und selbstprogrammierten Zeichentools – die Geburt malerischer Mittel aus dem Geist der Kommunikation. Aus diesem Repertoire des digitalen DIY stammen die Techniken, die Ernst Markus Stein für seine eigensinnige Computermalerei verwendet. Aus den Treppeneffekten einer 16-Bit-Ästhetik, reduzierter Zeichenanzahl und beschränktem Farbindex komponiert er sorgfältige Formstudien oder erzählt von seltsamen Situationen in menschlichen Leben.
Für die Ausstellung in der Galerie KM wurden die digitalen Arbeiten erstmals in textile Formate übersetzt. Die Idee dazu entstammt der Faszination des Künstlers für Lochkarten, die im Zuge der Industrialisierung zur Automatisierung der Weberei, dann in immer mehr Bereichen zur automatisierten Datenverarbeitung eingesetzt wurden und damit auch eine Grundlage der Digitalisierung bilden. Nicht die Verschiedenheit der Endprodukte war der Ausgangspunkt der Übertragungsidee, sondern gerade die Verwandtschaft der Verfahren. Für die Realisierung der Webereien und Stickereien arbeitete der Künstler zuerst mit der Maschinenstickerei Steinke Design zusammen, die seit 30 Jahren Patches für die Bikerszene im Kreis Unna herstellt, anschließend mit dem Familienbetrieb Stickerei Sonnenblume in Fulda und zuletzt mit dem Maschinen- und Softwareunternehmen ZSK. Diese Kollaborationen sind Konsequenz einer künstlerischen Haltung, die Malerei vor allem als Kontaktaufnahme versteht und sich nicht ausschließlich in der Kunstwelt verortet, sondern auch in diskursferne Gefilde vordringt.
Nun sind Steins Malereien, die auf dem Nintendo 3DS oder in ASCII-Zeichencode entstehen, als gewebte und gestickte Bilder zu sehen. Abstrakte Studien wie zaunstudie (nyc), stadt oder einfache zigarette gehen auf Formexperimente mit selbstprogrammierten Vorlagen zurück. Auf den ersten Blick bilden sie einen Kontrast zu den gegenständlichen und narrativen Bildern, die teilweise sogar mit Textelementen versetzt sind. Auf den zweiten Blick schaffen sie eine Verbindung. Die Werke innere karte und warhead hardhat era gehören in eine Serie spekulativer Karten, die an Drohnenansichten und Ortungsversuche erinnern. Steins poetisches System ähnelt insgesamt der Kartografie; sie erfasst und verzeichnet die Welt und weckt zugleich die Sehnsucht nach unbekannten Orten und fernen Lebensformen. Nachdem die Digitalmalereien nun als physische Objekte existieren, ist in Kooperation mit Jules LaPlace eine Onlinepräsentation der Ausstellung entstanden, die an Point-and-ClickAdventures erinnert. Hier sind im Hypertext Hinweise auf weitere Welten des Künstlers versteckt. In der Galerie dreht ein Tapeloop seine Kreise und eine GIF Animation erzählt mithilfe eines Diarondells die titelgebende geschichte von jemand – diese Person weiß, dass etwas verloren und darum alles anders ist. Die großformatigen Webereien carbourgh und leatherface handeln von überstürztem Aufbruch und überraschendem Kontaktabbruch. Alle Arbeiten kreisen um einen Moment unerwarteter Veränderung, die plötzliches Umdenken erfordert.