EDGES

Tillmann Terbuyken
26. March 2022 — 21. May 2022
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Wir freuen uns sehr, die fünfte Einzelausstellung von Tillmann Terbuyken mit dem Titel EDGES zu zeigen. Darin zeigt der Künstler die raumgreifende Installation o.T. (Bühnenentwurf), 2011–2022, in einer aktualisierten Form. Das Werk kann als Bühne gelesen werden, die den Galerieraum grundlegend verändert. Die „Bühne“ wird von Tillmann Terbuyken bei jeder neuen Ausstellung in den Raum gefügt und trägt wechselnde Werke an ihren Wänden. Die Installation verbindet sich über klar lesbare Raumachsen mit neuen Werken und der Architektur von Werner Düttmann am Mehringplatz. In der „Bühne“ ist eine formal zweigeteilte shaped canvas in die Wand integriert. Das eingefügte Werk ist auf der einen Seite klar formal angelegt, auf der anderen Seite verwandeln die blutroten Farbspritzer den Bildträger mit Heftigkeit in einen Körper, der nach einer Attacke schwankt – ein Zustand, der eine große Aktualität in sich trägt und den der Künstler immer wieder auslotet.

Tillmann Terbuyken geht in seiner künstlerischen Arbeit von Aneignung aus. „Ich sammele Ideen, Readymades, gebrauchtes Material wie Schränke, Holzstufen, Sperrholzbögen, Farben und Formen.“ Er bearbeitet vorgefundenes Material, dekonstruiert seine Bestandteile, befreit es von seiner ursprünglichen Funktion. Er nimmt aus sehr unterschiedlichen Quellen stammende Teile, um sie zu einem neuen Körper zu verarbeiten. Die Körperlichkeit des Materials wird immer neu hinterfragt, bis ihr Verschleiß eine neue Form findet. Die malerisch gefassten Raumkörper bleiben fragil, zeigen ihre Konstruktion und offenbaren eine ständige Auseinandersetzung mit Kanten, Brüchen und unvollendeten Formen, die Tillmann Terbuyken zu raumgreifenden Gesten verdichtet. Diagonalen weisen über die Grenzen des Bildes hinweg durch den Raum. Die Komposition der Ausstellung bringt die Architektur scheinbar ins Wanken. Terbuykens Werke füllen den Raum auf, sodass der*die Betrachter*in bei jeder Bewegung die Präsenz der Werke spürt. Sie kommen den umher schreitenden Besucher*innen körperlich nahe, scheinen die Grenze des Materials zu überschreiten und schaffen eine ambivalente Situation. Je nach Blickwinkel des Betrachters oder der Betrachterin sind sie intim und einladend, bedrohlich und abstoßend. Es handelt sich trotz der immer wieder verwendeten Primärfarben, die aus der Ferne eine kindliche Fröhlichkeit ausstrahlen, keineswegs um eine fröhliche Ausstellung, die Werke sind teilweise in ihrer Fragilität kaum zu ertragen.

Die Kunst von Tillmann Terbuyken ist ein Plädoyer für die Ambivalenz von subjektiven Wirklichkeiten und für die Freiheit, die aus diesen Bindungen und ihrer Infragestellung entsteht.

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We are delighted to present the fifth solo exhibition of Tillmann Terbuyken entitled "EDGES", in which the artist shows the expansive installation o.T. (Bühnenentwurf)—engl. "Untitled (draft for a stage)—, 2011–2022, which can also be read as a stage, in an updated form that fundamentally alters the gallery space—just as Terbuyken has repeatedly changed the piece over several exhibition situations. The installation is connected to newer works and the architecture of Werner Düttmann at Mehringplatz via clearly readable spatial axes. A formally bipartite, shaped canvas is integrated in the wall of the “stage.” On one side, the inserted work is distinctly composed in formal terms, while on the other, blood-red dashes of paint fiercely transform the picture medium into a body swaying after an attack—a state that bears great relevance to the present and one which the artist fathoms anew time and again.

The starting point of Tillmann Terbuyken’s artistic work is appropriation. “I collect ideas, ready-mades, used materials such as cabinets, wooden stairs, plywood panels, colors and shapes.” He works on found material, deconstructs its components, liberates it from its original function. He takes pieces from the most various sources to process them to new bodies, always calling the corporeality of the material into question, until its wear results in a new form. The painted spatial bodies remain fragile, they demonstrate the way in which they are constructed and reveal the artist’s constant dealing with edges, ruptures and incomplete forms, which he condenses to space-filling gestures. Diagonals point beyond the boundaries of the picture to the gallery space. The composition of the show seems to cause the architecture to sway. Tillmann Terbuyken’s works fill the space, so that the viewers feel their presence with every movement. They approach the moving visitor in a bodily way, appearing to cross the boundaries of the material and creating an ambivalent situation. Depending on the viewer’s perspective, they are either intimate and welcoming or threatening and repulsive. Despite the often used primary colors that emanate childlike merriment from afar, the exhibition is by no means joyful, for the works are partially unbearable due to their fragility.

The artistic practice of Tillmann Terbuyken makes a case for the ambivalence of subjective realities and the freedom that arises from these bonds and from challenging them.