Art Cologne 2022 Collaborations

Ilse Henin & Alexandra Leykauf
16. November 2022 — 20. November 2022
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Die Präsentation auf der Art Cologne kombiniert aktuelle Zeichnungen von Ilse Henin und konzeptionelle Fotografie von Alexandra Leykauf. Im Dialog zwischen den Werken trifft ein archaisches Vokabular, das Alexandra Leykauf aus Fundstücken und Gesichtern der Landschaftsmalerei schöpft, auf das Bildvokabular von Ilse Henin, das sich über die einzelnen Blätter zu tagebuchartigen Tableaus zusammensetzt. Im Austausch und in der Spiegelung der beiden Positionen entsteht eine Spannung zwischen dem Alltäglichen und dem Archetypischen, zwischen dem:der Betrachter:in und den Werken.

Ilse Henin bezieht sich in ihrem umfangreichen Oeuvre auf verschiedene historische Quellen, die alternative Bewegungen repräsentieren, die meist von männlichen Künstlern wie Paul Klee oder Sigmar Polke dominiert wurden. Henin eignet sich dieses alchemistisch geprägte Bildvokabular an und transformiert es in ihre eigene Sprache, sie abstrahiert es, indem sie wiederkehrende Formen zeichnet. Der menschliche Körper steht in Beziehung zu seiner Umgebung und ist im ständigen Austausch. Die Spannungen zwischen den Körpern nehmen durch architektonische und räumliche Elemente zu. Sie wachsen aus anderen Körpern oder lösen sich in abstrakte Formen auf. Menschen und Chiffren begegnen sich gelegentlich in diesem Raum, sie verschmelzen, werden zu Wesen, die den:die Betrachter:in an einen bestimmten Zustand, eine Begegnung, ein Gefühl erinnern. Ihre Gesichter haben oft einen emotionalen und intensiven Blick, der etwas ausdrückt, wofür uns die Worte fehlen.
Die späten 1960er Jahre waren in Westdeutschland eine berüchtigte Zeit der politischen und sozialen Unruhen, der künstlerischen Solidarität, des Experimentierens, oft verbunden mit einer antikapitalistischen Haltung. Ilse Henin (*1944) war in diesen Jahren (von 1966 bis 1970) Studentin. Ihr politisches Engagement führte sie in die westdeutsche Anti-Atomkraft- und andere soziale Bewegungen, denen sie ihre Kunst widmete, wobei sie eine kritische Distanz zum Markt wahrte. Von da an erweiterte Henin – und sie ist nicht die einzige (weibliche) Künstlerin aus dieser Zeit – ihr explizit politisches Werk zu einer Praxis, die allgemeiner mit politischen, sozialen und feministischen Anliegen verbunden ist.

Die von Alexandra Leykauf (*1976) geschaffenen Spiegel zeigen Vergrößerungen hölzerner prähistorischer Idole (datiert auf 500 v. Chr. bis 600 n. Chr.), die den:die Betrachter:in mit der immer wiederkehrenden Ehrfurcht und dem Geheimnis des Menschen als Teil der Natur konfrontieren. Die kleinen Holzskulpturen werden von Leykauf maßstabsgetreu in menschengroße Gegenstücke verwandelt. Ihre Darstellung macht die archetypischen Figuren uns ähnlich und verleiht ihnen eine neue Würde, die die zeitgenössische Kultur widerspiegelt. Für die Serie Gesichter (2019-2022) erwarb die Künstlerin bestimmte Ausstellungskataloge zur Landschaftsmalerei, entfernte die Seiten und bearbeitete sie mit Sand und Silbergelatineemulsion, die sie belichtete, entwickelte und fixierte. Auf diese Weise werden die Katalogseiten zu Bildern, die "den Blick zurückgeben". Der:Die Betrachter:in sieht das Portrait zunächst durch die schwarze Rahmung. Die Gesichter lösen sich von der konkreten Landschaft. In diesem Zyklus entlarvt die Künstlerin die Landschaftsmalerei als eine männliche Domäne: Von einem männlichen Blick zu einer weiblichen Perspektive. Durch die Reproduktion und Rahmung wird das Gemälde zum menschlichen Gegenüber, jenseits der oft sehr großen Formate der Originalwerke. Sie findet das "Andere" in den gemalten Landschaften: versteckte Gesichter, Körper – Pareidolie. An einsamen Orten in der Natur treffen wir manchmal auf "Gesichter". Unsere Phantasie belebt die Natur und unsere Kultur des Sehens. Diesen Wahrnehmungen werden unterschiedliche Realitäten zugeschrieben. Alexandra Leykauf schafft auf diese Weise einen lebendigen Kosmos von Zeichen und Gesten.

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The presentation at Art Cologne combines recent drawings by Ilse Henin and conceptual photography by Alexandra Leykauf. The subject matter of the works deal with archetypical phenomena. In the dialogue between the works an archaic vocabulary, which Alexandra Leykauf draws from found objects and faces found in landscape painting, meets Ilse Henin’s pictorial vocabulary, which is assembled across the individual sheets to form diary-like tableaus. In the exchange of the two positions, a tension is created between the everyday and the archetypical, between the viewer and the works.

In her extensive oeuvre Ilse Henin refers to various historical sources, representing alternative movements, which were mostly dominated by male artists, such as Paul Klee or Sigmar Polke. Henin appropriates this alchemy characterized image vocabulary and transforms it into her own language, she abstracts it by drawing recurrent forms. The human body relates to its environment and is constantly in exchange. The tensions between the bodies increase due to architectonical and spatial elements. They grow from other bodies or dissolve into abstract shapes. Humans and ciphers occasionally encounter each other in this space, they merge, become beings reminding the viewer of a certain state, an encounter, a feeling. Their faces frequently have an emotional and intensive look expressing something we are at a loss of words for.
In West-Germany, the late 1960s were a notoriously vibrant time of political and social unrest, of artistic solidarity, experimentation, often combined with an anti-capitalist stance. Ilse Henin (*1944) was a student in those years (from 1966 to 1970). Her political engagement would take her to West-Germany’s anti-nuclear power and other social movements, dedicating her art to such cause, keeping a critical distance to the market. From there, Henin would—and she isn’t the only (female) artist from that time to do so—expand her explicitly political oeuvre into a practice that is more generally fused with political, social, and feminist concerns.

The mirrors created by Alexandra Leykauf (*1976) show blow-ups of wooden prehistoric idols (dated from 500 BC to 600 AC), which confront the viewer with the ever recurring respect and mystery for the human as part of nature. The small wooden sculptures are transformed by Leykauf in scale to become human-size counterparts. Her depiction makes the archetypical figures similar to us, giving them a new dignity mirroring contemporary culture.
For the series Gesichter (Faces, 2019–2022) the artist purchased specific exhibition catalogues dedicated to landscape painting, removed the pages and worked on them with sand and silver gelatin emulsion that she exposed, developed and fixed. In this way, the catalogue pages become images that “return the gaze.” The viewer at first sees the portrait through the black framing. The faces become detached from the concrete landscape. In this cycle, the artist exposes landscape painting as a male domain: From a male gaze to a female perspective. Through its reproduction and framing, the painting becomes a human vis-à-vis, beyond the often very large formats of the original works. She finds the “other” in the painted landscapes: hidden faces, bodies – pareidolia. In lonesome places in nature, we sometimes encounter “faces.” Our imagination animates nature and our culture of seeing. Different realities are attributed to these perceptions. Alexandra Leykauf creates a variegated cosmos of characters and gestures in this manner.